Ärztin und Autorin Constanze Dennig: „Ich bin überzeugt, dass alles, was wissenschaftlich möglich ist, auch irgendwo gemacht wird.“

Porträtfoto der Autorin Constnze Dennig
Dr. Constanze Dennig-Staub, geboren in Linz, ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie mit langjähriger Erfahrung. 1989 gründete sie das Institut Dr. Dennig (heute Therapiezentrum Andritz) in Graz, das sie bis 2015 leitete. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin ist sie Autorin von Theaterstücken, Kurzgeschichten, Drehbüchern, Romanen, Sachbüchern, Regisseurin und Produzentin zahlreicher Theaterprojekte. In Graz gründete sie gemeinsam mit Edith Zeier-Draxl das „Theater am Lend“. 2014 erschien ihr erster Band mit der Ermittlerin Alma Liebekind „Abgetaucht“ bei Amalthea, es folgten „Eingespritzt“ (2015, Amalthea), „Böse Samariter“ (2017, Haymon) und „Verkauft“ (2020, Ueberreuter). Constanze Dennig lebt und arbeitet in Wien. https://www.constanzedennig.com/

Constanze Dennig ist Neurologin und Psychiaterin mit zahlreichen Veröffentlichungen als Theater-, Roman- und Krimiautorin. In ihrer vierteiligen Reihe um die Medizinerin Alma Liebekind greift sie heiße Eisen im Gesundheitswesens auf – von der Sterbehilfe bis zum Klonen. Wie sie zum Krimischreiben gekommen ist, wie viel ihre Ermittlerin Alma mit ihr selbst zu tun hat und wie ihre Erfahrungen als Medizinerin die Themenwahl prägen erzählt Constanze Dennig im Interview mit Medical Murder Mystery.

Medical Murder Mystery: Wie bist du eigentlich zum Krimischreiben gekommen?

Constanze Dennig: Neben meiner psychiatrischen Tätigkeit schreibe ich schon seit vielen Jahren Theaterstücke und Romane. Irgendwann kam die Amalthea-Verlegerin einmal auf mich zu und hat mich eingeladen, für die damals neue Krimi-Reihe des Verlages etwas zu machen. Und das habe ich dann aufgegriffen, nachdem mich einmal auf einem Spaziergang am Donaukanal die Frage beschäftigt hat, wie man wohl jemanden umbringen, ohne direkt Hand anzulegen und ohne diese Person aktiv in den Suizid zu treiben. So kam ich auf die Idee zum ersten Fall mit Alma, und ich habe bemerkt, dass mir das große Freude macht. 

MMM: Waren die Geschichten um Alma Liebekind von Beginn an als Reihe konzipiert?

Constanze Dennig: Zunächst eigentlich nicht. Aber ich habe die Arbeit an dem Krimi sehr genossen. Meine Theaterstücke sind zwar oft durchaus humorvoll, aber sie behandeln doch immer gesellschaftspolitisch relevante Themen. Beim Krimi ging es mir zunächst einmal nur um den Plot und die Figuren, und das hat mich begeistert. Daher gab es dann Fortsetzungen – dies auch, weil es einmal als Fernsehreihe geplant war. 

MMM: Du sagst, deine Theaterstücke seien stärker gesellschaftskritisch als die Krimis. Aber deine Krimithemen sind ja auch sehr nahe dran an den heißen gesellschafts- und gesundheitspolitischen Eisen: Sterbehilfe, Migration, Leihmutterschaft, Gentherapie, Klonen. Das sind ja nicht gerade „cosy“ Stoffe. 

Constanze Dennig: Ja, das stimmt schon, und es sind alles auch Themen, die mich sehr beschäftigen. Beim Thema Sterbehilfe zum Beispiel, da ärgert mich einfach die Verlogenheit der Debatte. Das habe ich schon einmal in einem Theaterstück verarbeitet, in einem Science-Fiction-Roman, und eben auch in einem Krimi. 

MMM: Liest du selbst gerne Krimis?

Constanze Dennig: Wenn ich das als Krimiautorin sage, ist es vielleicht überraschend für manche, aber ich lese nicht viele Krimis. Vielleicht, weil vieles, was ich in meiner langen Berufstätigkeit in der Nervenheilkunde, auch in der forensischen Psychiatrie, erlebt habe, ohnehin kaum von der Fiktion zu übertreffen ist. 

MMM: Die Fälle von Alma Liebekind sind nicht nur Medizinkrimis, man könnte sie auch durchaus in der Kategorie Wien- bzw. Regionalkrimis sehen: Die Orte im neunten Bezirk zum Beispiel, die Lokale, Geschäfte, ja das ganze Viertel sind sehr realitätsgetreu abgebildet.

Constanze Dennig: Das ist aber auch meiner Bequemlichkeit geschuldet. Ich greife gerne auf etwas zurück, das ich gut kenne, und für das ich nicht viel recherchieren muss. Das hat auch damit zu tun, dass mir mein Beruf als Ärztin nicht so viel Zeit für sehr aufwändige Recherchen lässt. Deshalb kommt auch meine Ermittlerin aus der Medizin, da kenne ich mich eben gut aus. 

MMM: Eröffnet dir das Krimi-Genre andere kreative Möglichkeiten als etwa Theaterstücke?

Constanze Dennig: Es macht Freude, eine Geschichte auch einmal in allen Details auserzählen zu können, das erlaubt das Theaterstück ja nicht. Wobei ich schon merke, dass meine Stärke auch beim Krimischreiben der Dialog ist, ich vermeide lange Schilderungen. Mein Hauptinteresse gilt den Menschen, die miteinander interagieren. 

MMM: In Rezensionen zu deinen Büchern über Alma Liebekind ist gelegentlich zu lesen, in deinen Krimis kämen nur starke Frauen und nur schwache Männer vor. Stimmt das, legst du die Geschichten so an?

Constanze Dennig: Das ist so sicher nicht geplant, aber es kann schon sein, dass es mir beim Schreiben passiert. Bei gewissen Figuren wie Almas Liebhaber ist diese Zeichnung beabsichtigt: Alma will nicht allein sein, sie will Sex haben. Aber es ist ihr auch durchaus recht, dass er nicht viel kann, sie braucht keinen Konkurrenten auf Augenhöhe.

MMM: Deine Geschichten sind sehr realitätsnahe und authentisch, zum Beispiel die Beschreibungen von Almas Sprechstunden in der Ordination oder die Beschreibung des neunten Bezirks. Gilt das eigentlich auch für die medizinisch-wissenschaftlichen Beschreibungen, zum Beispiel bei den menschlichen Klonen?

Constanze Dennig: Das ist vorwiegend meine Annahme, mein „educated guess“, wenn du so willst. Ich gehe davon aus, dass es irgendwo auf der Welt menschliche Klone gibt. Wenn wir Schafe und Hunde klonen können, dann wurde das sicher irgendwo, wo die ethischen Standards nicht so hoch sind, auch mit Menschen zumindest versucht. Es wird halt nicht publiziert. Aber ich bin überzeugt, alles, was wissenschaftlich möglich ist, wird auch gemacht. Was so Dinge wie die Genschere oder Leihmutterschaft betrifft – das gibt es natürlich alles, auch wenn nicht alles in allen Ländern möglich ist. Wir sind ja jetzt aufgrund des Krieges in tragischer Weise wieder darauf aufmerksam geworden, wie viele Paare im Westen eine Leihmutter in der Ukraine engagieren. 

MMM: Du arbeitest im Krimitext, fast wie bei einem wissenschaftlichen Text, mit Fußnoten: da werden einerseits wienerische Begriffe erklärt, aber auch medizinische Fachausdrücke. Warum hast du dich dafür entschieden, man könnte ja auch im Text erklären?

Constanze Dennig: Ja das wäre eine Option, aber sehr oft kommen Begriffe, die man vielleicht nicht allgemein kennt, im Dialog vor. Da wäre diese Methode sehr schwerfällig. Da geht es darum, es knapp und trotzdem für alle verständlich zu halten.

MMM: Die Entscheidung für eine Ich-Erzählerin war für die rasch klar bei der Figurenentwicklung?

Constanze Dennig: Ja, auf jeden Fall. Ich wollte gerne auch Almas Gedanken wiedergeben, und das wäre mit einem auktorialen Erzähler viel schwieriger. Ich kann mit ihren Gedanken Leserinnen und Leser auch auf eine falsche Spur locken, oder ihre Gefühle sehr genau beschreiben. Auch für die Auflösung des Falls schien es mir praktisch – so kann sie viele der Dinge einfach gedanklich nochmal durchgehen, und es muss nicht alles in Gespräche verpackt werden. 

MMM: Was hat Dich an diesem Thema des Klonens so besonders interessiert? Es kommt nicht nur in Almas viertem Fall vor. Es gibt auch einen früheren Roman von Dir, die „Klonküsse“, in dem Du Dich noch viel ausführlicher mit dieser Thematik beschäftigst.

Constanze Dennig: Ich bin einmal von einer sehr faszinierenden Frage ausgegangen: Wenn ich mich selbst klone, was ist dann eigentlich der Unterschied zwischen mir und dem Klon bzw. dem geklonten Kind, das ich aufziehe. Gibt es überhaupt einen Unterschied? 

MMM: Werden wir bald wieder einen Fall lesen, in dem Alma sich im neunten Bezirk mit heißen Themen und komplexen Fällen beschäftigt?

Constanze Dennig: Für den Moment werde ich jetzt eher einmal eine Krimipause machen. Mein aktuelles Projekt, das in Kürze erscheint, ist ein Sachbuch, in dem es um unsere Ängste geht, auch um die produktive Seite der Angst, die uns antreibt. Und ich habe ja auch noch einen Hauptberuf, die Medizin. Ich habe das Glück und den Luxus, mich schreibend immer wieder einfach auf unterschiedliche Weise mit Stoffen auseinandersetzen zu können, die mich interessieren – mal als Theaterstück, als Sachbuch, als Roman, als Krimi. Das Format ergibt sich dann oft mit der Beschäftigung mit dem Stoff, insofern lasse ich einmal alles offen. 

Interview: Birgit Kofler

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