S. Maria Ahlert: Abgetrieben

Ärztinnen und Ärzte, die angefeindet werden, weil sie an ihrer Klinik auch Abtreibungen vornehmen. Fanatische Abtreibungsgegnerinnen und -gegner, die solche Mediziner und abtreibungswillige Frauen auf der Straße attackieren. Das sind einige der zentralen Elemente des Medizinthrillers „Abgetrieben“ von S. Maria Ahlert, ihrem im Herbst 2023 erschienen Debütroman.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die engagierte Frauenärztin Mia Winkler, die an einer Klinik arbeitet. Dort werden neben dem sonstigen Spektrum gynäkologischer Betreuung auch Schwangerschaftsabbrüche und die vorgeschriebenen vorangehenden Beratungen durchgeführt. Zwei ihrer Kollegen sterben, und was zunächst nach Selbsttötungen aussieht, stellt sich in beiden Fällen als Fremdverschulden heraus. Eine naheliegende Spur führt in die Szene der Abtreibungsgegner – ist möglicherweise die Radikalisierung so weit vorangeschritten, dass einzelne Fanatikerinnen oder Fanatiker auch vor Mord nicht mehr zurückschrecken? Oder hatten sich die beiden Mediziner Patientinnen gegenüber unangemessen verhalten, und hier war Rache im Spiel?

Als auch im Leben von Mia, deren Lebenspartner auf einer längeren Dienstreise ist, immer mehr beängstigende Vorfälle und bedrohliche Situationen vorkommen, drängt sich der Verdacht auf, sie könnte das nächste Opfer dieser Mordserie sein. Oder ist unabhängig von den beiden Morden an ihren Kollegen jemand ganz anderer hinter ihr her und warum? Einige spannende Wendungen gibt es noch, bis zur doch sehr überraschenden Auflösung der zügigen Geschichte.

S. Maria Ahlert verpackt ein frauen- und gesellschaftspolitisches Thema in eine Thrillerhandlung, in der sie gekonnt und flüssig mit kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven, Cliffhangern, falschen Fährten und überraschenden Wendungen eine Menge Spannung aufbaut. Immer wieder neue Fragen, Themen und Verdächtigungen halten diese Spannung bis zu einem Ende aufrecht, das so wohl nicht vorhersehbar ist.

So spannend die Geschichte sich präsentiert, so hat sie doch auch Schwächen. Die beiden Ermittler bleiben einigermaßen blass, ihre Hintergrundgeschichten wirken bemüht eingesetzt und machen die Figuren nicht mehrdimensionaler. Vor allem aber ist das Potenzial, das die Einbettung der Geschichte in die Klinikszene eigentlich bietet, mit Ärztinnen und Ärzten als Opfer und zentrale Protagonisten und dem Klinikalltag als Hintergrund, in der Geschichte nicht wirklich ausgeschöpft. Die Beschreibung von Abläufen im Krankenhaus bleibt oberflächlich und bietet keinen Einblick in diese Welt. Die Konstruktion der Verfehlungen der ermordeten Ärzte, die für mögliche Spuren sorgen, ist klischeehaft und nicht plausibel. Das ist schade, denn eine intensivere und authentischere Schilderung der Welt der Medizin und der Klinikumgebung hätte der Behandlung des wichtigen und facettenreichen Themas, das im Mittelpunkt des Romans steht, mehr Tiefe verliehen.

S. Maria Ahlert. Abgetrieben, 2023. 394 Seiten. ISBN-13: ‎ 978-3000766121

Die gebürtige Magdeburgerin und Psychologin S. Maria Ahlert beschäftigt sich mit den Facetten der menschlichen Psyche, was sich auch in ihren literarischen Texten widerspiegelt. Seit 2020 veröffentlicht sie Krimi-Kurzgeschichten. Mit »Abgetrieben« ist im Sommer 2023 ihr Thriller-Debüt erschienen. Gemeinsam mit ihrem Partner lebt sie in Potsdam. Sie ist Mitglied des Präsidiums der „Mörderischen Schwestern.“

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