Günther Mayr: Herr Kuranaga

Coverbild Krimi Herr Kuranaga

Stimmt schon: Auch die WHO hat im Mai den Corona-Notstand für beendet erklärt, und damit die höchste Gesundheits-Alarmstufe aufgehoben. Und viele von uns möchten die Zeit der Lockdowns und Ausnahmezustände, der Leugner-Demos und Wissenschaftsfeindlichkeit, der überlasteten Spitäler und leeren Konzertsäle am liebsten vergessen. Und doch empfehle ich einen Rückblick auf genau diese Zeit in Form eines Krimis von Günther Mayr – für alle, die ihn nicht ohnehin gleich nach Erscheinen Ende 2022 gelesen haben.

Genau, der Günther Mayr, der uns während der Pandemie quasi täglich in den ORF-Nachrichten das aktuelle Corona-Geschehen erklärt und das Primat der Wissenschaft hochgehalten hat, verwertet Erfahrungen, Beobachtungen und Anleihen bei realen Freundinnen und Bekannten in einem Krimi. Wobei schon der Titel ein wenig den Verdacht nahe legt, dass das eigentliche Krimigeschehen Mayr möglicherweise weniger interessiert als seine Charaktere: Mit „Herr Kuranaga“ heißt das Buch nicht nur wie die Hauptfigur, sondern der Roman ist vor allem rund um diesen aus Japan stammenden und seit vielen Jahren in Wien lebenden Philosophieprofessor, Betrachtungen über japanische Kultur und Lebensweise, und seine Wiener und internationalen Freundinnen und Bekannte gestrickt und auf den ersten Blick weniger um den Kriminalfall. Dabei ist doch auch dieser ausgesprochen originell. Denn wenn ausgerechnet im Krimi-Debüt des Corona-Erklärers der Nation zunächst einiges dafür spricht, dass die Corona-Impfung gefährliche bis tödliche Nebenwirkungen hat, dann hat das durchaus seinen Reiz.

Nachdem ausgerechnet eine Bekannte Kuranagas, der als eine Art Samurai mit österreichischem Lebensstil dargestellt ist, auch nach einer COVID-19-Impfung auf der Intensivstation landet, beginnen der Professor und seine Freundinnen und Freunde zu ermitteln. Natürlich sind die Dinge nicht so, wie sie auf den ersten Blick scheinen – doch bis zur Entschlüsselung des  Geheimnisses nimmt Mayr uns auf eine stellenweise rasante, grenzüberschreitende Verbrecherjagd von Wien über London und Hongkong nach Tokio und Okinawa mit. Dass einer der Freunde davon an der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Wien arbeitet und eine andere Bekannte Virologin in Hongkong ist, hilft bei der Aufklärung der verzwickten Zusammenhänge ebenso wie die Tatsache, dass ein IT-Spezialist in der Clique mit leichter Hand Hürden im Internet überwindet und der Musiker in der Runde im Umfeld des renommierten Radio-Symphonieorchesters auf verdächtige Vorgänge stößt. Die Tokioter Polizistin mit Hang zu schnellen Motorrädern liefert ebenso wichtige Puzzlesteine zur Auflösung der Todesfälle nach Impfungen und des mysteriösen Impfstoffschwundes.

Günther Mayrs Personal ist nah an realen Vorbildern. Das Vorbild des Herrn Kuranaga, den realen Fremdenführer und Übersetzer Tateo Kuranaga, hat Mayr bei Buchpräsentationen dem Publikum ohnehin vorgestellt, und zumindest Insider werden auch den leitenden Anästhesie-Mitarbeiter im AKH unschwer erkennen. Bei etwas Lokalkenntnissen ist das von den Freunden frequentierte Wirtshaus als Eiserne Zeit am Naschmarkt identifizierbar. An der Wortwahl, den launigen Formulierungen, Vergleichen und Sprachbilder hat Mayr wohl so gefeilt, wie kürzlich noch an seinen TV-Kommentare. Ein kurzweiliger Krimi mit viel Hintergrundwissen!

Günther Mayr: Herr Kuranaga. Ein Samurai zwischen Sushi und Schweinsbraten, Ueberreuter 2022, ISBN: 978-3-8000-7821-9

 

Günther Mayr wurde in Bregenz geboren und verbrachte seine Jugend auf einem Bergbauernhof in Murau/Steiermark. Er studierte Kommunikations- und Politikwissenschaft in Wien. Seine journalistische Laufbahn begann er beim ORF-Landesstudio Kärnten. Ab Mitte der 1990er-Jahre war er Redakteur des ORF-Wissenschaftsmagazins „Modern Times“. 2007 wurde er Leiter der aktuellen Wissenschaftsredaktion des ORF. Seit 2021 Moderator und Sendungsverantwortlicher der ORF-Wissenschaftssendung „Mayrs Magazin“.

Foto: ORF/Günther Pichlkostner

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